Von wegen freie Verfügung über das eigene Vermögen
Seit Jahren verweigert mein Sohn jeden Kontakt zu mir (m, 65, gesch.). Kann ich meine Wohnung, in der mein Hauptvermögen steckt, meiner Konkubinatspartnerin schenken und die Nutzniessung behalten? Könnte mein Sohn nach meinem Tod die Wohnung zurückverlangen? Gibt es da eine Verjährungsfrist?
X.X.
Aufgrund Ihrer Anfrage gehe ich davon aus, dass Ihr Sohn Ihr einziger Nachkomme ist.
Die Nachkommen eines Erblassers sind pflichtteilsgeschützt. Beim Pflichtteil handelt es sich um denjenigen Anteil an der Erbschaft (Nachlass), der einem Erben nicht entzogen werden kann. Bei Ihrer Familiensituation beträgt der Pflichtteil Ihres Sohnes 3/4 des Nachlasses. Zu beachten gilt dabei, dass bei der Feststellung des Nachlasses die herabsetzbaren lebzeitigen Zuwendungen, auf die ich gleich zu sprechen komme, wertmässig hinzugerechnet werden.
Grundsätzlich können Sie zu Lebzeiten frei über Ihr Vermögen verfügen. Dabei gilt es jedoch einige Schranken des Erbrechts zu beachten, welche erst im Todesfalle greifen und u.a. dem Pflichtteilsschutz der engsten Angehörigen dienen. So gewährt das Gesetz dem pflichtteilsgeschützten Erben mit der sog. Herabsetzung einen Schutz gegen bestimmte lebzeitige Zuwendungen des Erblassers.
Die Herabsetzung dient der Wiederherstellung des Pflichtteils. Ihr unterliegen u.a. (1) Schenkungen, die der Erblasser während der letzten 5 Jahre vor seinem Tode ausgerichtet hat sowie (2) Entäusserungen von Vermögenswerten, die der Erblasser offenbar zum Zwecke der Umgehung seiner Verfügungsbeschränkung vorgenommen hat.
(1) Wenn Sie Ihrer Partnerin zu Lebzeiten Ihre Eigentumswohnung schenken und sie Ihnen dafür ein Nutzniessungsrecht einräumt, handelt es sich um eine gemischte Schenkung. Bei der gemischten Schenkung unterliegt nur der unentgeltliche Teil der Herabsetzung. Weil die Wohnung Ihr Hauptvermögenswert ist, würde eine solche Schenkung je nach Höhe des kapitalisierten Werts der Nutzniessung wahrscheinlich den Pflichtteil Ihres Sohnes verletzen. Folglich könnte Ihr Sohn voraussichtlich die Herabsetzung verlangen, wenn Sie innert 5 Jahren nach der Schenkung versterben würden.
(2) Liegt die Schenkung zeitlich weiter als 5 Jahre zurück, so wäre ein Umgehungsgeschäft dann annehmen, wenn Sie bei der Schenkung an Ihre Partnerin in Kauf nehmen, den Pflichtteil Ihres Sohnes zu verletzen. Weil Sie nebst der Wohnung kein namhaftes Vermögen mehr haben, wäre auch dieser Tatbestand erfüllt.
Liegt eine Pflichtteilsverletzung durch eine lebzeitige Zuwendung vor, so kann der pflichtteilsgeschütze Erbe gegen den Bedachten innert einem Jahr seit Kenntnis der Verletzung auf Herabsetzung klagen. Ihr Sohn könnte also von Ihrer Partnerin zwar nicht die Wohnung zurückverlangen, aber mittels Klage die wertmässige Rückzahlung im Umfang seines Pflichtteils erwirken.
(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)