Darf meine Schwester im Testament ihr Vermögen ihrem Hund vermachen?
Meine verwitwete Schwester ist im Januar gestorben. Sie war kinderlos. Ich (weiblich, verwitwet, 75 Jahre alt, eine Tochter) bin ihre einzige überlebende Schwester. Zwei Geschwister sind bereits gestorben. In ihrem Testament vermachte meine Schwester ihr nicht unbeträchtliches Vermögen zu je einem Drittel einer namentlich genannten Stiftung sowie allgemein „ihrem Hund und Hundeheimen“, ohne eine bestimmte Institution zu nennen, sowie für „kirchliche Zwecke“. Ist ein solches Testament gültig? Wer bestimmt, welche Institutionen bedacht werden? Erbe ich als einzige Schwester nichts? Wären auch meine Neffen und Nichten (Kinder unserer verstorbenen Geschwister) erbberechtigt? Kann ich – und wenn ja wie – das Testament anfechten?
K.W.
Ich gehe zunächst auf die gesetzliche Erbfolge ein, bevor ich Ihre Fragen zur Gültigkeit des Testaments beantworte.
Gesetzliche Erbfolge
Die nächsten gesetzlichen Erben der Erblasserin sind der Ehepartner und ihre Nachkommen. Weil Ihre Schwester verwitwet und kinderlos ist, gelangt die Erbschaft „an den Stamm der Eltern“ der Erblasserin. Sind die Eltern vorverstorben, treten an deren Stelle deren Nachkommen, also die Geschwister der Erblasserin bzw. deren Nachkommen. Somit sind Sie und die Kinder Ihrer vorverstorbenen Geschwister die gesetzlichen Erben der Erblasserin.
Pflichtteilsgeschützte Erben
Der Pflichtteil ist derjenige Teil der Erbschaft, welcher bestimmten gesetzlichen Erben durch Testament nicht entzogen werden darf. Pflichtteilsgeschützt sind grundsätzlich die Nachkommen der Erblasserin, der Ehepartner und die Eltern. Beim elterlichen Stamm sind einzig die Eltern selbst pflichtteilsgeschützt, nicht aber deren Nachkommen, wenn die Eltern vorverstorben sind. Da Ihre Schwester kinderlos und der Ehepartner sowie die Eltern bereits vorverstorben sind, hat die Erblasserin keine pflichtteilsgeschützten Erben und kann über ihr gesamtes Vermögen frei verfügen. Sie als gesetzliche, nicht aber pflichtteilsgeschützte Erbin wären daher nur erbberechtigt, wenn das Testament Ihrer Schwester ungültig wäre.
Möglichkeit der Ungültigkeitsklage gegen Testament
Ein Testament wird auf fristgerecht erhobene Klage hin u.a. dann für ungültig erklärt, wenn die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung testierunfähig (wegen fehlender Urteilsfähigkeit) war, sich in einem Irrtum befand oder wenn das Testament an einem Formmangel leidet. Ein Formmangel liegt bei einem eigenhändigen Testament dann vor, wenn dieses von der Erblasserin nicht von Anfang bis zum Ende von Hand niedergeschrieben sowie mit ihrer Unterschrift versehen worden ist.
Gültigkeit des Testaments
Ist das Testament gültig oder wird ein ungültiges Testament nicht fristgerecht angefochten, so ist der gesamte Nachlass Ihrer Schwester entsprechend dem Testament zu teilen, da Ihre Schwester keine pflichtteilsgeschützten Erben hat und somit über ihr gesamtes Vermögen frei verfügen kann.
Die Erblasserin ist daher befugt, für einen Drittel ihres Vermögens eine (namentlich genannte) Stiftung als Erbin einzusetzen. Weiter hat Ihre Schwester in ihrem Testament „ihren Hund und Hundeheime“ bedacht. Wird ein Tier in einem Testament bedacht, so gilt diese Bestimmung als Auflage, für das Tier tiergerecht zu sorgen. Da Ihre Schwester kein Hundeheim namentlich genannt hat, ist mittels Auslegung zu ermitteln, welche Hundeheime Ihre Schwester berücksichtigen wollte. Das gleiche gilt für das Vermächtnis „kirchliche Zwecke“. Bei der Auslegung des Testaments steht der Wille der Erblasserin im Vordergrund. Die Erklärung der Erblasserin im Testament soll in dem von ihr wirklich gewollten Sinn wirksam werden. Zuständig ist für die Mitteilung des Testaments an allfällige Begünstigte im Kanton Luzern die Teilungsbehörde, im Streitfall über die Anspruchsberechtigung aber das Gericht.
Kurzantwort
Hat eine Erblasserin keine pflichtteilsgeschützten Erben, kann sie über ihr gesamtes Vermögen frei verfügen. Hat die Erblasserin mit Testament über ihr gesamtes Vermögen verfügt, gehen die gesetzlichen, nicht pflichtteilsgeschützten Erben leer aus, es sei denn, das Testament ist wegen Urteilsunfähigkeit, Irrtum oder Formmangel ungültig.
(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)