Testament im Falle einer Demenzerkrankung
Meine Mutter ist im fortgeschrittenen Alter und zeigt Anzeichen einer beginnenden Demenz. Meines Wissens hat sie nie ein Testament verfasst. Könnte meine Mutter trotz Demenzerkrankung noch ein Testament errichten?
B.C.
Jede Person, die urteilsfähig ist und das 18. Altersjahr zurückgelegt hat, kann ein Testament errichten. Dieses kann entweder eigenhändig, mittels öffentlicher Beurkundung oder infolge ausserordentlicher Umstände auch durch mündliche Erklärung errichtet werden. Bei einer Demenzerkrankung stellt sich die Frage, ob die betreffende Person noch urteilsfähig und somit testierfähig ist oder nicht.
Die Urteilsfähigkeit umfasst einerseits die Fähigkeit, Sinn, Zweckmässigkeit und Wirkungen einer bestimmten Handlung zu erkennen und andererseits, gemäss dieser Erkenntnis nach freiem Willen zu handeln und allfälliger fremder Willensbeeinflussung Widerstand zu leisten. Das Vorliegen der Urteilsfähigkeit ist die Regel und wird vermutet. Dies hat zur Folge, dass derjenige, der die Urteilsunfähigkeit im Zeitpunkt der Testamentserrichtung behauptet, diese im Streitfall beweisen und das Testament mittels Ungültigkeitsklage anfechten muss. Die Vermutung der Urteilsfähigkeit gilt jedoch nicht absolut und findet ihre Grenzen in der allgemeinen Lebenserfahrung. Wenn die allgemeine Lebenserfahrung – etwa bei bestimmten Geisteskrankheiten oder altersschwachen Personen – den Schluss zulässt, dass die Urteilsfähigkeit mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht mehr gegeben ist, wird die Vermutung der Urteilsfähigkeit umgestossen. Dies hat zur Folge, dass diesfalls das Vorliegen der Urteilsfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments im Streitfall bewiesen werden muss.
Sofern man trotz (beginnender) Demenzerkrankung noch urteilsfähig ist, steht der Errichtung eines Testaments nichts im Wege. Trotzdem ist zu beachten, dass im Streitfall die Vermutung der Urteilsfähigkeit umgestossen werden könnte. Es empfiehlt sich deshalb, bei der Errichtung des Testaments bei einem Arzt vorgängig eine Bescheinigung der Urteilsfähigkeit der Erblasserin einzuholen und das Testament danach öffentlich beurkunden zu lassen.
Weiter ist zu beachten, dass ein Testament grundsätzlich gilt. Die Gültigkeit eines Testaments wird nicht von Amtes wegen überprüft. Wer also geltend macht, der Erblasser sei urteilsunfähig gewesen, muss das Testament innert eines Jahres nach Kenntnis des Testaments und des Ungültigkeitsgrundes, in jedem Falle mit Ablauf von zehn Jahren nach Testamentseröffnung, mittels Ungültigkeitsklage anfechten. Wird das Testament innert dieser Frist nicht angefochten, ist das Klagerecht verwirkt und das Testament gilt – trotz Urteilsunfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung. Vorbehalten bleiben Fälle von schwerster Demenz bzw. offensichtlicher Urteilsunfähigkeit, in welchen ein Testament nichtig sein kann und diese Nichtigkeit dann auch später noch geltend gemacht werden könnte.
Kurzantwort
Sofern ein Testament nicht innert Frist angefochten wird, ist es trotz möglicher Urteilsunfähigkeit gültig. Um eine erfolgreiche Anfechtung des Testaments möglichst auszuschliessen, empfiehlt es sich, das Testament öffentlich zu beurkunden und vorgängig eine ärztliche Bescheinigung der Urteilsfähigkeit einzuholen. Demenz schliesst die rechtsgültige Errichtung eines Testaments nicht in jedem Fall aus.
(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)