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Erbverzicht: Erklärung und Vertrag mit Kindern ist nur auf folgende Weise gültig

Meine Frau und ich haben mit unseren zwei Kindern eine Vereinbarung getroffen, in der die Kinder zugunsten des überlebenden Ehepartners auf ihren Erbteil verzichten. Diesen schriftlichen Erbverzicht haben alle unterzeichnet. Ist die Vereinbarung zulässig und wurde sie gültig abgeschlossen? Was müssen wir noch beachten, z.B. im Umgang mit (Steuer)Behörden?

Die Vereinbarung, die Sie abgeschlossen haben, stellt einen Erbverzichtsvertrag dar. Ein solcher muss die Formerfordernisse eines Erbvertrags erfüllen, muss also von Gesetzes wegen öffentlich beurkundet werden – die einfache Schriftlichkeit genügt nicht. Ihre Vereinbarung ist somit formungültig und gerichtlich nicht durchsetzbar. Sollte eine der beteiligten Personen in der späteren Erbteilung nicht einverstanden sein, so kann sie die Vereinbarung anfechten. Das würde bedeuten, dass diese keinerlei Rechtswirkungen zeitigt und die gesetzliche Erbfolge gelten würde. Alle Erben erhielten diesfalls ihre gesetzliche Erbquote.

Es ist aber durchaus zulässig – und auch häufig – dass die gemeinsamen Nachkommen zugunsten des überlebenden Ehepartners auf ihren Erbteil verzichten. Der überlebende Ehepartner erhält so den gesamten Nachlass. Dies hat den Vorteil, dass vor der Erbteilung keine güterrechtliche Auseinandersetzung, also keine Teilung des ehelichen Vermögens, notwendig ist, was das Verfahren erheblich vereinfacht und beschleunigt. Da die Kinder in einem solchen Erbverzichtsvertrag auch auf den Pflichtteil verzichten (jenen Teil des Nachlasses, auf den sie von Gesetzes wegen einen zwingenden Anspruch haben), müssen sie volljährig und urteilsfähig sein. Ansonsten ist kein rechtsgültiger Verzicht möglich. Sind sie dies (noch) nicht, ist ein kombinierter Ehe- und Erbvertrag zu empfehlen, in welchem dem überlebenden Ehegatten bei Errungenschaftsbeteiligung güterrechtlich der gesamte Vorschlag (also die gesamte Errungenschaft) und erbrechtlich die verfügbare Quote zugewiesen wird, während die Kinder auf den Pflichtteil gesetzt werden.

Es macht Sinn, in einem Erbverzichtsvertrag auch Vorkehrungen für den Tod des zweiten Ehegatten zu treffen, um die Kinder – die ja erst dann erben – abzusichern. Häufig werden zum Schutz der Kinder Bestimmungen für den Fall, dass der überlebende Ehepartner erneut heiratet oder ein Elternteil in ein Pflege- oder Altersheim eintritt, in den Vertrag integriert. Auch Erbvorbezüge der Nachkommen oder Schenkungen an diese können festgehalten werden.

Damit ein Erbvertrag im Todesfall auch sicher zur Anwendung kommt, empfiehlt es sich, diesen bei der zuständigen Behörde an Ihrem Wohnort zu hinterlegen. Allfällige Erbschaftssteuern sind kantonal geregelt. Ausser den Kantonen Obwalden und Schwyz erheben alle Kantone eine Erbschaftssteuer. Der überlebende Ehepartner ist davon aber befreit. Ob die Nachkommen von der Erbschaftssteuer betroffen sind, richtet sich nach der kantonalen, teilweise nach der kommunalen Gesetzgebung.

Kurzantwort:

Ein Erbverzicht der Kinder zugunsten des überlebenden Elternteils ist zulässig. Ein entsprechender Vertrag muss öffentlich beurkundet werden. Um verzichten zu können, müssen die Kinder volljährig und urteilsfähig sein.

(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)