Überspringen zu Hauptinhalt

Erben die Geschwister das Haus?

In Ihrem letzten Artikel haben Sie sich zum Wohnrecht der Ehefrau geäussert. Ich habe nun eine weitere Frage bei folgender Ausgangslage: Mein verstorbener Vater hinterliess ein Haus und Barvermögen. Erben waren seine Ehefrau und die 3 Töchter A, B und C. Gemäss seinem Testament erben A und B das Haus, wobei der Ehefrau ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt wird. C erhält das Barvermögen. A ist nicht verheiratet und hat keine Kinder. Fällt bei ihrem Tod deren Hausanteil nur an B oder erben dann die Mutter und C wieder den Hausanteil?

I.B.

Es stellt sich hier die Frage, wie die gesetzliche Erbfolge ist, wie sich dies auf die Eigentumsverhältnisse auswirkt und wie es sich mit dem Pflichtteil verhält.

Gesetzliche Erbfolge

Die Erben erwerben die Erbschaft als Ganzes mit dem Tod des Erblassers kraft Gesetzes. Das Eigentum des Erblassers geht ohne weiteres auf die Erben über. Ist eine Person nicht verheiratet und hat sie keine Kinder, so sind ihre Eltern ihre nächsten gesetzlichen Erben. Ist ein Elternteil oder sind beide Elternteile vorverstorben, so fällt der Erbteil des Vorverstorbenen an die Geschwister des Erblassers zu gleichen Teilen.

In Ihrem Fall heisst dies, dass die Erbschaft von A zur Hälfte an die Mutter und zu je einem Viertel an B und C fällt, falls diese zum Zeitpunkt des Todes von A alle noch leben. Dies bedeutet, dass hier auch der Eigentumsanteil von A an der Liegenschaft wertmässig zur Hälfte an die Mutter und zu je einem Viertel an B und C fällt. Dieser Eigentumsanteil bildet nämlich Teil des gesamten Nachlasses, welcher entsprechend den erwähnten Erbquoten aufzuteilen ist. Die Erben können aber in der Erbteilung frei entscheiden, wem die Liegenschaft in Anrechnung an seine Erbquote zu Alleineigentum zugeteilt werden soll.

Pflichtteil

Der Pflichtteil ist derjenige Teil der Erbschaft, welcher den Erben durch Testament oder Erbvertrag nicht entzogen werden darf. Der Pflichtteil der Eltern beträgt die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils. In Ihrem Fall beträgt daher der Pflichtteil der Mutter 25 % des Nachlasses. Die Geschwister sind zwar gesetzliche Erben, aber – im Gegensatz zu den Kindern, dem Ehepartner und den Eltern – nicht pflichtteilsgeschützt. D.h. über ihren Erbanteil kann der Erblasser frei verfügen und diesen beliebigen Personen zuwenden.

In Ihrem Fall kann daher A 75 % ihres Nachlasses mit Testament oder Erbvertrag beliebigen Personen zukommen lassen. Um rechtsgültig zu sein, muss ein Testament vom Erblasser von Anfang bis zum Ende eigenhändig geschrieben, datiert und unterzeichnet oder bei einem Notar öffentlich beurkundet werden. Ein Erbvertrag muss in jedem Fall notariell beurkundet werden.

Kurzantwort
Das Eigentum des Erblassers geht bei dessen Tod ohne weiteres auf die Erben über. Bei unverheirateten und kinderlosen Personen sind die Eltern bzw. bei deren Vorversterben die Geschwister die nächsten gesetzlichen Erben. Geschwister sind aber nicht pflichtteilsgeschützt.

(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)