Überspringen zu Hauptinhalt

Der ewige Streit um das Erbe

Nach 20jähriger Ehe ist meine Frau gestorben. Wir hatten keine Kinder, sie jedoch aus erster Ehe zwei Töchter. Meine Frau hat ein Dreifamilienhaus in die Ehe gebracht. Ich wohne in der einen Wohnung, die anderen beiden Wohnungen sind vermietet. Sie hat nie gearbeitet. Während der Ehe habe ich viel in das Haus investiert (Arbeit und Material im Umfang von ca. Fr. 200‘000.00). Auch haben wir rund Fr. 100‘000.00 Hypotheken abbezahlt, mit Geld aus meinem Einkommen. Ich habe mir bei der Pensionierung zudem Fr. 100‘000.00 aus meiner Pensionskasse auszahlen lassen. Dieses Geld ist auf einem Konto, das auf meinen Namen lautet. Dazu gibt es zwei weitere Konten, die gemeinsam auf meinen und den Namen meiner Frau lauten. Nun wollen die Töchter meiner verstorbenen Frau die Hälfte des Hauses und unseres Vermögens inkl. meiner Abfindung der Pensionskasse. Ist es wahr, dass ich alles teilen muss? Es gibt leider kein Testament und bisher weigerten sich die Töchter, irgendwelche Vorschläge zu machen.

H.B.

Beim Tod eines Ehepartners ist in einem ersten Schritt die güterrechtliche Auseinandersetzung vorzunehmen, d.h. es ist zu beurteilen, was dem überlebenden Ehepartner bereits aus Güterrecht zusteht und was in den Nachlass des Verstorbenen fällt. In einem zweiten Schritt findet dann die erbrechtliche Teilung statt, in welcher dieser Nachlass unter den Erben – hier unter dem Ehemann und den Töchtern aus erster Ehe – geteilt wird.

Güterrechtliche Auseinandersetzung

Die Ehepartner unterstehen den Vorschriften über die Errungenschaftsbeteiligung, sofern sie nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbart haben oder der ausserordentliche Güterstand der Gütertrennung eingetreten ist. Da Sie in Ihrer Anfrage nichts bezüglich des Güterstandes erwähnt haben, gehe ich davon aus, dass Sie und Ihre verstorbene Frau dem ordentlichen gesetzlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung unterstanden. Dieser Güterstand umfasst die Errungenschaft und das Eigengut jedes Ehepartners. Im Todesfall eines Ehepartners müssen nun bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung sämtliche vorhandenen Vermögenswerte beider Ehegatten einer Gütermasse zugeteilt werden, wobei auch allfällige finanzielle Beteiligungen der einen Gütermasse in eine andere, sog. Ersatzforderungen, zu berücksichtigen sind.

Sofern das Dreifamilienhaus im Alleineigentum Ihrer verstorbenen Frau stand, gehört das Haus dem Eigengut Ihrer Frau an, weil sie es in die Ehe eingebracht hat. Da Sie aus Ihrer Errungenschaft Investitionen in das Dreifamilienhaus im Umfang von gesamthaft ca. Fr. 300‘000.00 (Fr. 200‘000.00 Arbeit und Material + Fr. 100‘000.00 Abzahlung Hypothek aus Ihrem Erwerbseinkommen) getätigt haben, hat Ihre Errungenschaft gegenüber dem Eigengut Ihrer Frau eine Forderung in diesem Umfang. Falls auf der Liegenschaft noch eine darüber hinaus gehende Wertsteigerung eingetreten wäre, käme noch eine anteilsmässige Beteiligung an diesem Mehrwert hinzu. Das Bankkontoguthaben auf dem Konto, das nur auf Ihren Namen lautet und auf welches das Pensionskassengeld ausbezahlt worden ist, gehört vollumfänglich Ihrer Errungenschaft an. Die beiden gemeinsamen Bankkontoguthaben gehören vermutungsweise je hälftig Ihrer Errungenschaft sowie der Errungenschaft Ihrer verstorbenen Frau an.

In der Errungenschaft Ihrer Frau befindet sich demnach die Hälfte der gemeinsamen Bankkontoguthaben. In Ihrer Errungenschaft befindet sich die Ersatzforderung von Fr. 300‘000.00 aufgrund Ihrer Investitionen in das Haus, das Kontoguthaben auf dem Bankkonto, das nur auf Ihren Namen lautet, sowie die Hälfte der gemeinsamen Bankkontoguthaben.

Sie erhalten aus Güterrecht die Hälfte all dieser Werte der Errungenschaften beider Ehepartner. Die andere Hälfte der Errungenschaften der Ehepartner sowie das gesamte Eigengut Ihrer verstorbenen Frau (hier das Dreifamilienhaus abzüglich der Errungenschaftsinvestitionen) fällt in deren Nachlass, welcher erbrechtlich zu teilen ist.

Erbrechtliche Teilung

Ist kein Testament vorhanden, so kommt die gesetzliche Erbfolge zur Anwendung. Die nächsten gesetzlichen Erben eines Erblassers sind seine Nachkommen und der überlebende Ehepartner. Die gesetzlichen Erben Ihrer verstorbenen Frau sind somit die beiden vorehelichen Töchter und Sie. Hat ein überlebender Ehepartner mit Nachkommen des Erblassers zu teilen, erhält der Ehepartner die Hälfte der Erbschaft. Die andere Hälfte geht an die Nachkommen, welche zu gleichen Teilen erben. Demnach erhalten Sie als Ehepartner 1/2 der Erbschaft Ihrer Frau, die beiden vorehelichen Töchter erhalten je 1/4 der Erbschaft.

Im Ergebnis bekommen Sie von den Vermögenswerten, welche zu den beiden Errungenschaften gehören, 75% des Wertes (50% aus Güterrecht und die Hälfte der anderen 50% aus Erbrecht) und von den Vermögenswerten, welche zum Eigengut der Verstorbenen gehören, 50% des Wertes. Die Auffassung der Töchter, dass Sie alles hälftig mit ihnen zu teilen hätten, ist also nicht richtig.

Kurzantwort
Beim Tod eines Ehepartners ist in einem ersten Schritt zu beurteilen, was dem überlebenden Ehepartner einerseits bereits aus Güterrecht zusteht und was andererseits in den Nachlass des Verstorbenen fällt. In einem zweiten Schritt findet dann die erbrechtliche Teilung statt, in welcher dieser Nachlass unter den Erben geteilt wird. Im Ergebnis erhält der überlebende Ehepartner 75% des Werts der beiden Errungenschaften und 50% des Werts des Eigenguts des Verstorbenen, wenn er mit den Nachkommen des Verstorbenen zu teilen hat.

(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)