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Erbenstellung des nicht leiblichen Sohnes

Unsere Mutter hat durch Landverkauf ein ansehnliches Vermögen angehäuft. Wir sind zwei Kinder: Tochter (verheiratet, zwei Kinder) und Sohn (mein Bruder, geschieden, einen Sohn aus erster Ehe, wiederverheiratet ohne Kinder). Mein Bruder hat immer gezweifelt, dass er der leibliche Vater seines Sohnes (40 Jahre alt) ist. Nun hat er nach 40 Jahren, mit Einverständnis seines Sohnes, eine DNA-Analyse machen lassen. Resultat: Zu 99 % ist er nicht der leibliche Vater.

Meine Fragen: Falls mein Bruder vor unserer Mutter stirbt, würde sein (nicht leiblicher) Sohn an seiner Stelle von der Grossmutter erben? Diese möchte trotz allem ihrem (nicht leiblichen) Enkel, den sie mag, etwas vererben. Wie könnte sie dies machen? Wird der (nicht leibliche) Sohn später von meinem Bruder oder von seinem leiblichen Vater (den wir zu kennen glauben) erben?

H.B.

Ich gehe zunächst kurz auf den erbrechtlichen Begriff des Nachkommen ein, bevor ich Ihre Fragen zur Erbberechtigung des nicht leiblichen Sohnes Ihres Bruders beantworte.

Nachkommen im Sinne des Erbrechts

Nachkommen im Sinne des Erbrechts sind Personen, die zum Erblasser in einem direkten Kindsverhältnis standen (die Kinder des Erblassers) bzw. deren Vorfahren zum Erblasser in einem direkten Kindsverhältnis standen (die Kinder oder Grosskinder der Kinder des Erblassers). Ein Kindsverhältnis zum Vater entsteht kraft der Ehe des Vaters mit der Mutter, durch Anerkennung oder Gerichtsurteil. Ist ein Kindsverhältnis zwischen Ihrem Bruder und seinem (nicht leiblichen) Sohn kraft Ehe entstanden, so ist der (nicht leibliche) Sohn Ihres Bruders trotz fehlender Blutsverwandtschaft sein Nachkomme im Rechtssinne und damit auch Nachkomme Ihrer Mutter.

Nachkommen als gesetzliche Erben

Die nächsten gesetzlichen Erben eines Erblassers sind der Ehepartner und seine Nachkommen. Die gesetzlichen Erben Ihrer Mutter sind somit Sie und Ihr Bruder sowie Ihr Vater, sofern er noch lebt und Ihre Mutter mit ihm verheiratet ist. An die Stelle vorverstorbener Kinder treten ihre Nachkommen. Solange also das Kindsverhältnis zwischen Ihrem Bruder und seinem (nicht leiblichen) Sohn besteht, ist dieser Erbe Ihres Bruders. Stirbt Ihr Bruder vor Ihrer Mutter, so ist dessen (nicht leiblicher) Sohn Nachkomme (im Rechtssinne) der Grossmutter, tritt an die Stelle seines Vaters und ist Erbe der Grossmutter. Für diesen Fall muss Ihre Mutter also nichts unternehmen, der Enkel wird Erbe.

Möchte Ihre Mutter aber ihrem (nicht leiblichen) Enkel auch dann etwas zukommen lassen, falls ihr Sohn nicht vorversterben sollte, so kann sie ihm zu Lebzeiten etwas schenken oder ihn mit Testament oder Erbvertrag begünstigen. Zu beachten sind in jedem Fall die Pflichtteilsrechte von Ihnen und Ihrem Bruder.

Falls das Kindsverhältnis zwischen Ihrem Bruder und seinem (nicht leiblichen) Sohn aufgehoben wird, so entfällt die Erbberechtigung des (nicht leiblichen) Sohnes gegenüber Ihrem Bruder und (bei dessen Vorversterben) auch gegenüber der Grossmutter. Ihre Mutter müsste in diesem Fall ihrem Enkel zu Lebzeiten etwas schenken oder ihn mit Testament oder Erbvertrag begünstigen, wenn sie ihm etwas zukommen lassen möchte.

Vaterschaftsanerkennung durch den leiblichen Vater

Der (nicht leibliche) Sohn Ihres Bruders wäre nur dann Erbe seines leiblichen Vaters, wenn das Kindsverhältnis zwischen Ihrem Bruder und seinem (nicht leiblichen) Sohn aufgehoben und ein Kindsverhältnis zwischen diesem und seinem leiblichen Vater durch Anerkennung oder Vaterschaftsurteil entstanden wäre. Eine Anerkennung ist in jedem Fall nur möglich, wenn das Kindsverhältnis zu Ihrem Bruder aufgehoben wäre. Ihr Bruder oder sein (nicht leiblicher Sohn) müssten demnach das bestehende Kindsverhältnis gerichtlich anfechten. Da der (nicht leibliche) Sohn Ihres Bruders bereits 40 Jahre alt ist, wird eine Vaterschaftsanfechtung vor Gericht jedoch nur noch zugelassen, wenn sich die „verspätete“ Anfechtung mit wichtigen Gründen rechtfertigen lässt. Ob im Falle Ihres Bruders solche wichtigen Gründe vorliegen, müsste im Einzelfall genauer beurteilt werden und lässt sich alleine gestützt auf Ihre Angaben in der Fragestellung nicht abschliessend beantworten. Sicherlich ist es aber so, dass Ihr Bruder bzw. sein (nicht leiblicher) Sohn nach Bekanntgabe des DNA-Ergebnisses innert kurzer Zeit eine solche Anfechtungsklage beim Gericht einreichen müssten, ansonsten das Anfechtungsrecht verwirkt ist.

Vaterschaftsfeststellung

Wenn das Kindsverhältnis zwischen Ihrem Bruder und seinem (nicht leiblichen) Sohn aufgehoben werden würde und sich der leibliche Vater weigern würde, seine Vaterschaft zu anerkennen, hätte der (nicht leibliche) Sohn Ihres Bruders die Möglichkeit eine Vaterschaftsklage gegen seinen (vermutlich) leiblichen Vater einzureichen. Eine solche Vaterschaftsklage wäre innert eines Jahres seit Aufhebung des Kindsverhältnisses zu Ihrem Bruder beim Gericht einzureichen.

Kurzantwort
Für die Frage der Erbberechtigung zwischen Vater und Sohn ist einzig entscheidend, ob zwischen ihnen ein Kindsverhältnis im Rechtssinne besteht. Ein solches Kindsverhältnis zum Vater entsteht kraft der Ehe des Vaters mit der Mutter oder durch Anerkennung oder Gerichtsurteil.

(lic. iur. Marcel Vetsch, Rechtsanwalt und Notar, Fachanwalt SAV Erbrecht und Fachanwalt SAV Familienrecht, Luzerner Zeitung)