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Voraussetzungen für die Finanzierung des ehelichen Lebensstandards

Kürzlich hiess es im Ratgeber, dass nach einer Scheidung die Ex-Ehefrau je nach Alter der Kinder arbeiten gehen muss. Der Mann müsse nur für die Ex-Frau zahlen, wenn sie den ehelichen Lebensstandard nicht selbst decken könne. Ist es nicht so, dass gemäss neuer Rechtsprechung der Mann nicht mehr den ehelichen Lebensstandard finanzieren, sondern nur zum Existenzminimum beitragen muss?

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung besteht ein Vertrauensschutz auf Beibehaltung des bisherigen ehelichen Lebensstandards, sofern die Ehe lebensprägend war und genügend finanzielle Mittel vorhanden sind. Die frühere bundesrechtliche Rechtsprechung ging davon aus, dass eine lebensprägende Ehe nach zehn Ehejahren oder bei gemeinsamen Kindern vorliegt. Diese langjährige Praxis hat das Bundesgericht geändert und neu entschieden, dass diese Vermutungen zu relativieren sind und solche Ehen nicht mehr automatisch lebensprägend sind. Ob eine Ehe lebensprägend ist und somit ein Anspruch auf Weiterführung des ehelichen Lebensstandards bestehen könnte, ist im Einzelfall zu prüfen.

Sofern es einem Ehegatten nicht zuzumuten ist, dass er für den ihm gebührenden Unterhalt unter Einschluss einer angemessenen Altersvorsorge selbst aufkommt, so hat ihm der andere Ehegatte einen angemessenen Beitrag zu leisten, den sog. nachehelichen Unterhalt. Für die Festlegung des nachehelichen Unterhalts nimmt die Rechtsprechung zum Ausgangspunkt, ob die Ehe eben lebensprägend war oder nicht. Bei lebensprägenden Ehen bemisst sich der gebührende Unterhalt an dem in der Ehe zuletzt gemeinsam gelebten Standard. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung haben bei genügenden Mitteln beide Ehegatten Anspruch auf Fortführung dieses zuletzt gemeinsam gelebten Standards. Wenn die Ehefrau also ihren gebührenden Unterhalt nicht selber decken kann, hat der Ehemann ihr einen angemessenen Beitrag zu leisten. Verunmöglichen die trennungsbedingten Mehrkosten, dass der eheliche Lebensstandard aufrecht erhalten bleibt, so haben beide Ehegatten Anspruch auf die gleiche Lebenshaltung. Gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts kann jedoch auch bei lebensprägenden Ehen der nacheheliche Unterhaltsbeitrag in zeitlicher und betragsmässiger Hinsicht limitiert werden.

Für die Berechnung des nachehelichen Unterhalts ist der zuletzt gemeinsam gelebte Standard, die (familienrechtlichen) Existenzminima nach der Trennung sowie das Einkommen nach der Trennung massgebend. Gemäss Rechtsprechung hat der hauptbetreuende Elternteil grundsätzlich ab dem Eintritt des jüngsten Kindes in den obligatorischen Schulunterricht einem 50%igen, mit dessen Übertritt in die Oberstufe einem 80%igen und ab dem vollendeten 16. Altersjahr dieses jüngsten Kindes einem 100%igen Arbeitspensum nachzugehen. Tut er dies nicht, wird ihm ein hypothetisches Einkommen angerechnet. Ob und wie viel Unterhalt an einen Ehepartner gezahlt werden muss, hängt demnach von den Einkommens- und Bedarfsverhältnissen sowie vom gemeinsam gelebten Lebensstandard ab. Für die konkrete Berechnung können Sie sich an eine Fachperson wenden.

Kurzantwort
Nacheheliche Unterhaltsbeiträge sind nur geschuldet, soweit bei lebensprägenden Ehen der eheliche Lebensstandard bei zumutbarer Anstrengung nicht oder nicht vollständig durch Eigenleistung selbst gedeckt werden kann und nur sofern es die finanziellen Mittel erlauben.

(MLaw Silvia Ferraro, Rechtsanwältin, Luzerner Zeitung)